Die Sache mit dem Brathuhn

24. Feb 2022

„Was ist denn da vor der Haustür für ein Krach?“

„Das sind wir, wir wollen wieder herein, können aber den Klingelknopf nicht erreichen, weil wir zu klein sind.“

„Darf ich fragen, wo Ihr gerade herkommt…?“

„Ja, klar, wir waren beim Nachbarn im Garten gleich gegenüber.“

„Waaas? Ihr wisst doch ganz genau, dass Ihr nicht einfach weglaufen sollt. Und schon gar nicht in die Gärten der Nachbarn! Das gibt nur Ärger.“

„Der Nachbar hat uns doch aber eingeladen.“

„So? Das wäre einmal ganz etwas Neues…“

„Ja, er findet uns so nett und er selbst hat doch keinen Hund, also wollte er, dass wir ihn besuchen kommen.“

„Diese Geschichte wird immer unglaubwürdiger. Wenn er einen Hund in seinem Garten haben wollte, dann würde er doch selbst einen anschaffen. Warum wollte er denn, dass Ihr in seinen Garten kommt?“

„Er hat extra für uns ein riesengroßes Brathuhn gekauft und im Ofen geschmort. Ein Bio-Huhn sogar.“

„Das glaubt Ihr doch selber nicht! Soll das jetzt heißen, dass Ihr Euch in den Nachbarsgarten geschlichen und dort ein Brathuhn geklaut habt…? Dann kommt ja wohl Einiges an Ärger auf uns zu…“

„Nein, natürlich nicht, Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Wir haben dankend abgelehnt, ganz höflich natürlich.“

„Dann bin ich ja halbwegs beruhigt.“

„Ja, wir haben dem Nachbarn gesagt, dass wir seine nette Geste sehr zu schätzen wissen, aber grundsätzlich nur unser Diätfutter zuhause essen.“

„Welches Diätfutter?“

„Na das Futter, das wir fortan als Schadensersatz für unseren heldenhaften Verzicht erhalten werden. Immerhin haben wir ein sehr großzügiges Angebot eines sehr netten Nachbarn ausgeschlagen. Es ist nur unserem diplomatischen Geschick zu verdanken, dass es keinen Eklat gab.“

„Darf ich das jetzt als einen Wink mit dem Zaunpfahl verstehen?“

„Welcher Zaunpfahl? Es geht um unsere Futterschüsseln, genauer gesagt unser Diätfutter. Die Zaunpfähle stecken noch alle in der Erde.“

„Und wie soll diese Diät Eurer Ansicht nach aussehen?“

„Na zum Beispiel so, wir wie Dir das in unserem Sonntagsmenü beschrieben haben.“

„Aha. Soll das heißen, dass Ihr 1. jeden Tag dasselbe essen wollt und ich 2. jeden Tag oder jeden zweiten Tag für Euch kochen soll? Wie stellt Ihr Euch das zeitlich vor?“

„Nein, natürlich wollen wir nicht jeden Tag dasselbe essen, das wäre ja langweilig und auch ungesund. Aber es könnte z. B. viel öfter Brathuhn mit Pommes Frites geben. Wir bestehen dabei auch nicht unbedingt auf Bio-Qualität.“

„Sehr interessant. Darf ich übrigens erfahren, bei welchem Nachbarn Ihr ward? Ich wüsste dann gerne, in welchem exklusiven Geschäft er das Brathuhn extra für Euch besorgt hat.“

„Das ist ein Betriebsgeheimnis.“

„Warum?“

„Wir wollen keinen diplomatischen Zwischenfall riskieren. Immerhin haben wir dem Nachbarn gesagt, dass wir das Brathuhn leider nicht annehmen können, weil wir sonst zuhause Ärger bekommen.“

„Soll ich jetzt durch die ganze Nachbarschaft laufen und fragen, wo wir gerade versucht habt, ein Brathuhn zu stibitzen und wo ich womöglich Schadensersatz leisten muss?“

„Äh, nein, der Nachbar ist auch ziemlich weit weg, so viel Mühe brauchst Du Dir gar nicht zu machen. Außerdem hat er uns gesagt, wir sollen ihn nicht verraten.“

„Eine sehr obskure Geschichte. Auf jeden Fall wollen Papa und ich nicht, dass Ihr ohne uns das Grundstück verlasst. Das könnte einmal sehr gefährlich werden.“

„Für uns oder für das Brathuhn?“

„Für Euch natürlich. Ihr könntet überfahren werden oder irgendwelche dubiosen Leute treffen.“

„Aber was sollen wir denn machen, wenn uns ein Nachbar explizit einlädt. Wir wollten nicht unhöflich sein.“

„Seid Ihr sicher, dass er Euch eingeladen hat – oder habt Ihr Euch selbst eingeladen?“

„Also, das ist eine hochkomplexe Frage und bedarf einer sehr eingehenden Erörterung, ohne die sie sich nicht so ohne weiteres beantworten lässt…“

„Hab‘ ich’s mir doch gedacht – eingeladen worden seid Ihr von dem Brathuhn selbst, stimmt’s?“

„Siehst Du, da hast Du die Realität der Situation sehr eindrücklich auf den Punkt gebracht. Sehr viel prägnanter hätten wir selbst den Sachverhalt auch nicht darstellen können.“

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