Das Senfei

16. Nov 2022

„Mama, das ist unfair. Eine Frechheit, um es genauer zu sagen.“

„Was ist unfair und eine Frechheit?“

„Ihr esst Senfeier, und zwar jeder von Euch 2 Stück, ich habe es genau gesehen und gezählt!“

„Ja, und weil Sonntag ist und wir Euch eine Freude machen wollten, haben wir auch ein Ei für Euch hart gekocht. Ohne Senfsoße, natürlich.“

„Die Soße ist uns egal, aber wir können zählen: Ihr seid 2 Personen und habt insgesamt 4 Eier, und wir sind auch 2 Personen und haben insgesamt nur 1 einziges Ei!“

„Das liegt vielleicht daran, dass Ihr beide deutlich kleiner seid als wir…?“

„Ja, und warum sind wir kleiner? Aufgrund von Mangelernährung!“

„Hast Du schon einmal einen Hund gesehen, insbesondere einen Ratero, der genauso groß ist wie ein Mensch? Ganz egal, wie er ernährt wird?“

„Es ist NICHT egal, wie wir ernährt werden und wenn wir alle, alle Rateros und alle Hunde der Welt so viele Eier bekommen würden, wie uns rechtlich zustehen, wären wir alle viel größer!“

„Das ist nicht nur eine Frage der Anzahl der Eier, sondern auch der Leistungsfähigkeit Eurer Leber. Ist Dir klar, wie fett so ein Ei ist? Willst Du, dass Euch schlecht wird?“

„Eine Leber lässt sich trainieren. So, wie Ihr das jeden Abend macht.“

„Was meinst Du damit?“

„Ihr trinkt jeden Abend jeder ein Glas Rotwein.“

„Möchtet Ihr jetzt auch noch ein Glas Rotwein zu Euren harten Eiern?“

„Man könnte es ja einmal probieren… Danach ist unsere Leber dann so leistungsfähig wie Eure.“

„Die Tierärztin bringt mich um, wenn Papa Euch im Alkoholkoma in der Klinik vorstellt…“

„Von Komatrinken war nicht die Rede, nur von Trainieren. Wir könnten dann mit der Zeit so groß und so dick werden wie Ihr.“

„Danke für das Kompliment…“

„Bitte, gern geschehen. Dazu habe ich nur noch eine Frage: Wie lange habt Ihr gebraucht, um Eure Leber so leistungsfähig zu bekommen, wie sie jetzt ist?“

„Hör ‘mal zu, Du kleiner Schlauberger: Ein wenig Respekt uns Hunde-Eltern gegenüber dürfen wir ja wohl noch erwarten, oder? Schließlich wollten wir Euch eine Freude machen und haben Euch ein Ei hart gekocht – das gab es extra, wir haben es nicht von Eurer normalen Ration abgezogen, und jetzt seid Ihr immer noch nicht zufrieden!“

„Ja, wir haben uns ja auch darüber gefreut…“

„Aber?“

„Wir finden, wir sind eine Familie. Damit müssten wir doch gleichberechtigt sein, oder?“

„Die artgerechte Ernährung von Hunden hat nichts mit ihrer Gleichberechtigung gegenüber ihren Menschen zu tun. Hunde vertragen eben nicht alles, was Menschen essen und trinken.“

„Ihr vertragt es ja auch nicht. Ich habe genau gehört, wie Du zu Papa gesagt hast, dass die Senfeier doch ziemlich fett waren und Dir womöglich auf dem Magen bleiben würden.“

„Zugegeben, wir haben uns etwas verschätzt. Die Soße war fetter und schärfer als gedacht, und zwei Eier zum Abendessen pro Erwachsenen waren wohl etwas viel…“

„Das Problem hätte man verhindern können, wenn Ihr uns noch ein oder zwei Eier abgegeben hättet…“

„Ja, dann wäre uns allen schlecht geworden, nicht nur uns Menschen, sondern auch Euch Hunden.“

„Wir hätten es so machen können, dass Ihr die Soße esst, jeder von Euch nur ein Ei, und wir essen die restlichen Eier ohne die scharfe Soße, dann wäre es uns allen gut gegangen.“

„Hast Du nicht gesehen, dass Bandito am nächsten Morgen sein Frühstück verweigert hat und nicht einmal unter der Bettdecke hervorgekommen ist, weil er das halbe Ei, das er gegessen hat, nicht verdauen konnte? Und dann wollt Ihr noch mehr harte Eier essen?“

„Bandito ging es nur schlecht, weil er einen taktischen Fehler begangen hat: Er hat nur das Eigelb gegessen und das Eiweiß liegen lassen. Damit hat er proportional mehr Eifett gegessen als Eiweiß. Kein Wunder, dass es ihm schlecht ging. Ich habe ihm gesagt, dass er sein gesamtes halbes Ei aufessen soll. Aber auf mich hört ja keiner…“

„Also, ich denke, bis irgendwann einmal Eier mit dem richtigen Fettverhältnis erzeugt werden können, die für kleine Rateros geeignet nicht, werden wir vorsichtig sein und Euch nur ab und zu ein hartes Ei für Euch beide geben, ohne Senfsoße und ohne Rotwein.“

„Es gäbe aber noch eine andere Lösung: Ich habe doch gesehen, dass Papa Dir nach dem Essen einen Cognac gereicht hat, damit Du das Essen besser verdaust…“

„Das ist jetzt nicht Dein Ernst, oder?“

„Warum denn nicht – wenn der Cognac für Eure Verdauung gut ist, dann ist er das für unser Verdauungssystem auch.“

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