Foto: www.doerte-block-fotografie.de
„Mama, aus Deinen Vorbereitungen schließe ich, dass heute Abend Besuch kommt.“
„Ja, César, das hast Du ganz richtig beobachtet.“
„Ich kann Dich insoweit beruhigen, als auch Bandito und ich mit unseren Vorbereitungen soeben fertig geworden sind.“
„Was muss ich jetzt schon wieder befürchten…?“
„Warum bist Du gleich wieder so negativ und so misstrauisch? Freue Dich doch endlich einmal ein bisschen, dass wir beide Dir helfend unter die Arme greifen.“
„Nun ja, ich frage mich nur, was Ihr beide jetzt schon wieder angestellt haben könntet…“
„Also, wir haben zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Du hast es wahrscheinlich gar nicht mitbekommen, aber auf dem heutigen Spaziergang haben wir ja unsere Freundin Daisy getroffen.“
„Ja, Ihr habt miteinander gespielt und seid dann alle drei irgendwann einmal für eine gewisse Zeit unten am Bach im Gebüsch verschwunden. Daisys Frauchen und ich haben uns riesige Sorgen um Euch alle gemacht.“
„Das war völlig unnötig. Daisy hat dort unten einen toten Fisch gefunden, der bestimmt schon seit ein paar Tagen dort seine letzte Reife erlangt.“
„Ich glaube, mir wird schlecht…“
„Dafür gibt es überhaupt keinen Grund. Der Fisch war einfach königlich. Nicht nur köstlich und ausgereift vom Geschmack her, oh nein.“
„Wie ich sehe, habt Ihr ihn Euch geteilt. Darf ich hoffen, dass Daisy wenigstens den größten Anteil davon abbekommen hat und sich die zu erwartende Pupserei heute Abend in Grenzen hält?“
„Welche Pupserei? Mazerierter Fisch ist hochgradig verdaulich und ausgesprochen bekömmlich, Du und Papa solltet es auch einmal ausprobieren. Das nächste Mal bringe ich Euch einfach ein Stück mit, wenn Bandito und ich wieder vom Bach zurückkommen.“
„Ich glaube, das nächste Mal bleibt Ihr an der Leine…“
„Spielverderber! Aber das ist ja noch nicht alles, so ein toter Fisch bietet für den versierten Ratero vielseitige Verwendungsmöglichkeiten.“
„Und die wären?“
„Die zweite Fliege, die wir mit dieser einen Klappe geschlagen haben und womit wir Dir somit helfend unter die Arme greifen ist – das Raumparfüm für heute Abend. Eine echte Stimmungsbombe!“
„Wie genau meinst Du das? Soll ich die Party heute Abend vielleicht besser auf einen anderen Tag verschieben?“
„Du hast es noch gar nicht gemerkt? Stimmt, bei Euren unterentwickelten Menschen-Nasen dauert es immer eine gewisse Zeit, bis sich unsere dahingehenden Bemühungen auch wirklich bemerkbar machen.“
„Mir schwant nichts Gutes…“
„Also, als wir den Fisch gefunden haben, wusste Daisy noch gar nicht so genau, was man alles damit anstellen kann.“
„Anstellen ist wahrscheinlich das richtige Wort…“
„Nun hör mir doch endlich einmal zu! – Also, Bandito und ich haben Daisy gezeigt, dass man sich auf totem Fisch auch richtig schön nach Hunde-Herzenslust wälzen kann. Ach, war das herrlich!“
„Das ist jetzt nicht Dein Ernst! Daisy ist eine kleine, weiße, wuschelige Hündin aus gutem Hause und ich verstehe mich sehr gut mit ihrer Mama. Willst Du etwa, dass ihre Mama nie mehr ein Wort mit mir spricht, weil ich zwei so unverfrorene kleine Rotzlöffel habe, die ihrer wohlerzogenen Hündin ein Lotterleben beibringen?“
„Welches Lotterleben? Daisy duftet jetzt ganz wunderbar und appetitlich nach Fisch, wir übrigens auch. Das wirst Du allerdings wegen unseres kurzen Fells erst sehr viel später merken als Daisys Mama. Und damit nicht genug: Bandito und ich haben mit unseren Nasen, die sehr viel feiner sind als Deine (tut mir leid, das so unverblümt zu sagen) bereits jetzt festgestellt, dass sich dieses verführerische und unwiderstehliche Parfüm ‚Eau de toter Fisch‘ ganz langsam und dezent beginnt, in der Wohnung zu verbreiten. Es ist also gar nicht mehr notwendig, dass Du den Flakon mit diesem widernatürlichen – wie war doch noch die ‚Duftnote‘? – Zitronen-Jasmin-Schokoladen-Gestank öffnest. Und, was sagst Du jetzt zu unseren Bemühungen?“
„Ich sage, dass ich jetzt alle Fenster und die Terrassentür gleichzeitig aufreißen und für Durchzug sorgen werde. Gleichzeitig landen unsere beiden ‚Eau de toter Fisch‘-Träger in der Badewanne, wo sie mit widernatürlichem Hundeshampoo bearbeitet werden, in der Hoffnung, dass der größte Schaden bis zum Eintreffen der Gäste behoben sein wird. Und Daisys Mama gehe ich in den kommenden Tagen und Wochen sicherheitshalber aus dem Weg, bis sie den Vorfall hoffentlich vergessen hat und mich nicht mehr als asozial einstuft.“